Bei der Klimatisierung von Gewerbeobjekten sind zahlreiche Vorgaben zu erfüllen. Neben Heiz- und Kühlfunktionen geht es dabei auch um niedrige Kosten, hohe Effizienzwerte und den Einsatz von möglichst wenig Kältemittel. Erreichen lässt sich all das mit einem sogenannten 4-Leiter-System (auch 4-Leitersystem oder Vierleitersystem). Im Zentrum steht dabei ein leistungsfähiger Kaltwassersatz mit zwei getrennten Kältekreisläufen. Während der eine Gebäude mit Wärme versorgt, führt der andere diese ab. Geschieht beides gleichzeitig, lässt sich Energie zurückgewinnen, was die Betriebskosten senkt und die Umwelt schont.
Wie ein solches 4-Leiter-System aufgebaut ist und wann es zum Einsatz kommt, erklärt Deutsche-Thermo.de im folgenden Ratgeber.
Die Themen im Überblick
Heizen und Kühlen: Verschiedene Möglichkeiten im Überblick
Geht es um die Klimatisierung von Gebäuden, kommen Heiz- oder Kühlsysteme zum Einsatz. Sollen Anlagen beide Aufgaben erfüllen, sind grundsätzlich zwei getrennte Lösungen nötig. Das setzt jedoch viel Platz voraus und ist zudem mit hohen Anschaffungs- sowie Wartungskosten verbunden. Die Alternative sind Mehrleiter-Systeme.
3-Leiter-VRF-System: In der Praxis etabliert, aber mit Nachteilen verbunden
Eine Alternative stellen 3-Leiter-VRF-Systeme dar. Dabei handelt es sich um Kälteanlagen mit variablem Kältemittelfluss, die bei Bedarf gleichzeitig Heizen und Kühlen. Möglich ist das durch die Energieverteilung mit zwei Vorläufen (Heizen und Kühlen) und einem gemeinsamen Rücklauf. Benötigt ein Raum Wärme, während ein anderer zu kühlen ist, lassen sich die Lasten einfach verschieben, um Energie zu sparen und die Umwelt zu schonen. Nachteilig am 3-Leiter-VRF-System ist die größere Menge Kältemittel in der gesamten Anlage. Denn diese birgt Risiken, ist mit höheren Kosten verbunden und sorgt dafür, dass sich bestehende Anlagen nicht einfach erweitern lassen.
4-Leiter-System: Flexibel Heizen und Kühlen mit Wasser als Wärmeträger
Einen anderen Weg gehen 4-Leiter-Systeme, die auf einem Kaltwassersatz mit mindestens zwei getrennten Kältekreisläufen basieren. Während der eine wie eine Luft-Wasser-Wärmepumpe für das Heizen zuständig ist, übernimmt der andere die Kühlfunktion. Der Energietransport erfolgt gebunden an Wasser, das Fan Coils mit Wärme versorgt oder thermische Energie von diesen abführt. Durch die Verteilung mit zwei Leitungspaaren ist das Heizen und Kühlen zur gleichen Zeit möglich. Wärme lässt sich zu großen Teilen zurückgewinnen und bestehende Industriewärmepumpen können beliebig erweitert werden, wenn sich die Nutzung im Gebäude ändert.
Wichtig zu wissen:
Im Vergleich zu den etablierten 3-Leiter-VRF-Systemen kommen 4-Leiter-Systeme mit wesentlich weniger Kältemittel aus. Sie sind außerdem flexibler und durch die Wärmerückgewinnung auch effizient.
Funktionsweise und Betriebsmodi der 4-Leiter-Systeme im Überblick
Ein 4-Leiter-System zum Heizen und Kühlen besteht aus einer zentralen Einheit, die sich mit Pufferspeichern ergänzen lässt. Von dieser gehen zwei Leitungspaare ab, die warmes und kaltes Wasser zu Wärmeübertragern im Gebäude transportieren. Gebläsekonvektoren (sogenannte Fan Coils) realisieren daraufhin die Heiz- oder Kühlfunktion, bevor das Wärmeträgermedium mit höheren (Kühlen) oder niederen (Heizen) Temperaturen zur Klimazentrale zurückströmt.
Heizen: Wärmepumpe ist aktiv und schickt warmes Wasser ins Haus
Benötigt ein Gebäude Wärme, arbeitet die zentrale Einheit wie eine konventionelle Luft-Wasser-Wärmepumpe. Dabei nimmt sie thermische Energie von der Außenluft auf, um diese auf das Kältemittel zu übertragen. Das Medium verdampft und strömt zu einem Verdichter. Dieser hebt mit dem Druck auch die Temperatur des Kältemitteldampfes an und Wärme lässt sich an das Heizsystem übertragen.
Gebunden an warmes Wasser gelangt die thermische Energie im nächsten Schritt zum Beispiel zu Fan Coils, um Luft in den entsprechenden Räumen zu erwärmen. Der Wärmeträger kühlt sich dabei ab, bevor er zur zentralen Einheit zurückströmt.
Kühlen: Kaltwassersatz ist aktiv und schickt kaltes Wasser ins Haus
Ist die Kühlfunktion gefragt, lässt sich der Kältemittelkreislauf umkehren, um dem Wärmeträger Energie zu entziehen. Der Kaltwassersatz hebt daraufhin das Temperaturniveau an, um Wärme an die Außenluft abgeben zu können. Das Wärmeträgermedium kühlt sich dabei ab. Es strömt mit geringeren Temperaturen zu den Fan Coils und nimmt Wärme von der Raumluft auf. Diese transportiert das Medium anschließend zum Kaltwassersatz bzw. zur zentralen Klimaeinheit, wo der Kreislauf von vorn beginnt.
Heizen und Kühlen mit 4-Leiter-System und Wärmerückgewinnung
Grundsätzlich lassen sich die oben beschriebenen Funktionen auch mit einem herkömmlichen 2-Leiter-System realisieren. Anders als dieses ermöglicht es das 4-Leiter-System jedoch, Heizung und Kühlung zur gleichen Zeit zu betreiben. Damit das funktioniert, sind zwei Kältekreisläufe erforderlich.
Die folgende Übersicht zeigt die drei möglichen Betriebsmodi:
Kühllast = Heizlast
Sind Kühllast und Heizlast gleich groß, geht Wärme vom Kühlkreis auf den Heizkreis und es erfolgt eine komplette Wärmerückgewinnung.
Kühllast > Heizlast
Ist die Kühllast höher als die Heizlast, gibt der Kühlkreis Wärme an das Heizwasser ab. Die übrige thermische Energie überträgt er denn an die Außenluft, um das Kältemittel vollständig zu regenerieren.
Heizlast > Kühllast
Ist die Heizlast höher als die Kühllast, gibt der Kühlkreis so viel Wärme wie möglich an das Heizwasser ab. Die übrige thermische Energie liefert die Wärmepumpe, wobei sie die Wärme der Außen- oder Umgebungsluft nutzbar macht.
Einsatzbereiche der modernen Klimalösungen zum Heizen und Kühlen
Zum Einsatz kommt das 4-Leiter-System immer dann, wenn Heizen und Kühlen zur gleichen Zeit gefragt sind. Der Fall ist das vor allem in Bürogebäuden, die durch Glasfassaden, verschieden orientierte Räume und diverse Nutzungsmöglichkeiten unterschiedliche Anforderungen an die Raumluftkonditionierung haben. So kann es beispielsweise sein, dass Räume mit hohen internen Lasten zu kühlen sind, während Nutzer in Büros ohne Sonneneinstrahlung höhere Temperaturen wünschen.
Kurz und knapp:
Immer dann, wenn verschiedene Räume eines Gebäudes zur gleichen Zeit beheizt und gekühlt werden sollen, bieten sich 4-Leiter-Systeme an. Sie kommen mit geringeren Kältemittelmengen als VRF-Systeme aus und sind wesentlich flexibler, wenn es um eine Um- oder Nachrüstung geht.
Die wichtigsten Vorteile und Nachteile der 4-Leiter-Systeme im Vergleich
Die für ein 4-Leiter-System benötigten Komponenten sind bereits lange in der Kälte- und Klimatechnik im Einsatz. Sie gelten als erprobt und arbeiten zuverlässig. Insbesondere moderen Großwärmepumpen eignen sich perfekt für eine solche Lösung. Von Vorteil ist darüber hinaus aber vor allem der Verzicht auf große Kältemittelmengen, die beispielsweise bei VRF-Systemen mit Direktverdampfung oder Kältemittelverteiler nötig sind. Darüber hinaus lassen sich die Netze bedarfsgerecht erweitern. Kühlen sowie Heizen können zur gleichen Zeit stattfinden und die Möglichkeit der Wärmerückgewinnung sorgt für Energieeinsparungen und niedrigere Betriebskosten. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass es bei gleichzeitigem Heizen und Kühlen nicht zum Einfrieren der Verdampfer kommt. Abtauvorgänge sind dadurch nicht nötig, was zusätzlich Energie einspart.
Die wichtigsten Vorteile im Überblick:
- geringe Kältemittelmengen (günstiger und geringere Anforderungen)
- Heizen und Kühlen zur gleichen Zeit ist z. B. mit Fan Coils möglich
- Wärmerückgewinnung bei zeitgleicher Heiz- und Kühllast spart Kosten
- kein Einfrieren der Wärmepumpen-Verdampfer beim Heizen und Kühlen
- Erweiterung und Umbau der wasserführenden 4-Leiter-Systeme möglich
- Ausgereifte und erprobte Komponenten sorgen für hohe Zuverlässigkeit
Nachteilig ist hingegen der höhere Installationsaufwand, da im Vergleich zum 3-Leiter-VRF-System mit Direktverdampfung mehr und größere Leitungen zu verlegen sind. Das kann auch zu höheren Anschaffungskosten führen.
FAQ: Häufig gestellte Fragen und verständliche Antworten zum Thema
Was ist ein 4-Leiter-System und wie funktioniert die Lösung?
Ein 4-Leiter-System ist eine Klimatisierungslösung, die auf einen Kaltwassersatz und zwei Leitungspaare für kaltes sowie warmes Wasser setzt. Das zentrale Klimagerät hat dabei zwei Kältekreisläufe, sodass es wahlweise Heizen oder Kühlen kann. Auch das zeitgleiche Heizen und Kühlen ist möglich.
Was sind die Vorteile eines solchen Systems mit vier Leitern?
Da thermische Energie beim 4-Leiter-System mit dem Wasser transportiert wird, befinden sich weniger Kältemittel in der Anlage. Die Lösungen gewinnen viel Energie zurück und arbeiten dadurch sehr effizient. Von Vorteil ist außerdem die Tatsache, dass sich wasserführende 4-Leiter-Systeme im Gegensatz zu 3-Leiter-VRF-Systemen mit Direktverdampfung flexibel umrüsten, nachrüsten oder erweitern lassen.
Wann kommen Vierleitersysteme in der Praxis zum Einsatz?
Zum Einsatz kommen die speziellen Lösungen immer dann, wenn Heiz- und Kühllasten im Gebäude gleichzeitig zu decken sind. Der Fall ist das in der Regel in größeren Nichtwohngebäuden für Büros, Labore und andere Nutzungsmöglichkeiten.
Welche Alternativen gibt es zum 4-Leiter-System mit Wasser?
Eine Alternative sind zwei getrennt voneinander installierte 2-Leiter-Systeme, wobei eines für die Heiz- und eines für die Kühlfunktion verantwortlich ist. Das ist jedoch aufwendiger. Es kostet mehr Platz und bietet in der Regel keine Möglichkeit zur Wärmerückgewinnung.
Eine weitere Alternative bieten 3-Leiter-VRF-Systeme, die Kältemittel durch das gesamte Haus leiten. Diese sind platzsparend, effizient und sparsam im Verbrauch. Sie bringen allerdings größere Mengen Kältemittel ins Haus und sind verantwortlich für teils höhere Anforderungen (zum Beispiel in Bezug auf den Brandschutz).